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Produktmanagement

Produktideen bewerten: Ein 5-Punkte-Framework für schnelle Entscheidungen

4 Min. Lesezeit

Die meisten Ideenbewertungen dauern zu lange. Teams bauen komplizierte Scoring-Modelle, diskutieren wochenlang, und am Ende entscheidet trotzdem jemand aus dem Bauch.

Dieses 5-Punkte-Framework macht es anders: Fünf Fragen, 30 Minuten, eine Entscheidung. Kein Ersatz für tiefe Analyse – aber ein Filter, der 80% der schlechten Ideen aussortiert, bevor du Zeit investierst.


1. Pain-to-Payment-Ratio: Zahlt jemand dafür?

Die wichtigste Frage zuerst: Ist das Problem groß genug, dass jemand Geld dafür ausgibt?

Zwei Dimensionen:

  • Schmerzintensität: Wie dringend ist das Problem?
  • Zahlungsbereitschaft: Wer bezahlt – und wie viel?

Beispiel aus dem Gesundheitswesen:

Ein Krankenhaus-IT-Team kämpft mit manueller Dokumentation. Der Schmerz ist real – Überstunden, Fehler, Frustration. Aber: Das Budget liegt beim Einkauf, nicht bei der IT. Hoher Schmerz, komplizierter Zahlungsweg.

Dagegen: Eine Compliance-Lösung für BaFin-Anforderungen. Der Schmerz ist regulatorisch erzwungen, das Budget klar allokiert, die Alternative (Strafen) teuer. Hoher Schmerz, klare Zahlungsbereitschaft.

Faustregel: Regulatorischer Druck schafft oft die klarste Pain-to-Payment-Ratio.


2. Passgenauigkeit: Kannst du das bauen?

Eine gute Idee für jemand anderen ist keine gute Idee für dich.

Drei Fragen:

  • Hast du die Fähigkeiten (oder Zugang dazu)?
  • Kennst du die Domain?
  • Hast du Zugang zur Zielgruppe?

Beispiel:

Eine Plattform für Versicherungsmakler klingt attraktiv. Aber: Kennst du die Branche? Hast du Kontakte zu Maklern? Verstehst du die regulatorischen Anforderungen (IDD, DSGVO, Vermittlerregister)?

Wenn du aus der Branche kommst: Hohe Passgenauigkeit. Wenn nicht: Du konkurrierst gegen Leute, die alle drei Fragen mit Ja beantworten.

Faustregel: Die besten Ideen kommen aus Problemen, die du selbst erlebt hast.


3. Nachhaltigkeit: Gibt es das in 5 Jahren noch?

Nicht jede Idee muss ein Jahrzehnt überleben. Aber du solltest wissen, worauf du dich einlässt.

Fragen zur Nachhaltigkeit:

  • Ist das ein Trend oder ein strukturelles Problem?
  • Was passiert, wenn große Player einsteigen?
  • Welche regulatorischen Änderungen könnten kommen?

Beispiel:

Ein Tool für Cookie-Consent-Management war 2020 eine gute Idee. DSGVO war neu, der Markt fragmentiert. Heute: Konsolidiert, große Player dominant, Margen unter Druck.

Dagegen: Eine Plattform für Medizinprodukte-Zulassung (MDR). Regulatorische Komplexität steigt, nicht sinkt. CE-Kennzeichnung wird schwieriger. Das Problem wächst.

Faustregel: In regulierten Märkten ist Komplexität oft dein Burggraben.


4. Path to Validation: Kannst du es schnell testen?

Die beste Idee nützt nichts, wenn du 18 Monate brauchst, um sie zu validieren.

Frage: Was ist der kürzeste Weg zu echtem Kundenfeedback?

Schwierig zu validieren:

  • Hardware mit Zertifizierungspflicht (CE, RoHS)
  • Produkte, die in kritische Infrastruktur eingreifen
  • Lösungen, die lange Beschaffungszyklen erfordern

Einfacher zu validieren:

  • Software-Layer auf bestehender Hardware
  • Beratung/Service als MVP vor Produktisierung
  • Lösungen für Probleme mit kurzen Entscheidungszyklen

Beispiel:

Eine neue IoT-Sensorik für Gebäudeautomation? Zertifizierung dauert Monate. Ein Software-Dashboard, das bestehende Sensordaten visualisiert? Kannst du in Wochen testen.

Faustregel: Je länger der Validierungsweg, desto höher muss die Überzeugung sein.


5. Unfairer Vorteil: Warum gerade du?

Die unbequeme Frage: Was kannst du, was andere nicht können?

Arten von unfairen Vorteilen:

  • Domain-Expertise: Du verstehst die Branche besser als Außenseiter
  • Netzwerk: Du hast Zugang zu Kunden, den andere nicht haben
  • Technische Fähigkeit: Du kannst etwas bauen, was andere nicht können
  • Timing: Du bist zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Beispiel:

Du hast 10 Jahre in der Versicherungsbranche gearbeitet, kennst die IT-Landschaft, hast Kontakte zu Entscheidern. Das ist ein unfairer Vorteil für Insurance-Tech – nicht für eine Consumer-App.

Faustregel: Wenn du keinen unfairen Vorteil benennen kannst, hat ihn wahrscheinlich jemand anderes.


Anwendung: 30-Minuten-Bewertung

Für jede Idee:

KriteriumScoreNotiz
Pain-to-Payment1-10Wer zahlt? Wie dringend?
Passgenauigkeit1-10Domain, Skills, Netzwerk?
Nachhaltigkeit1-10Trend oder Struktur?
Path to Validation1-10Wie schnell testbar?
Unfairer Vorteil1-10Warum du?

Interpretation:

  • 40+ Punkte: Weitermachen, tiefere Analyse lohnt sich
  • 25-40 Punkte: Kritische Schwächen identifizieren, ggf. Pivot
  • Weniger als 25 Punkte: Nächste Idee

Das Framework ersetzt keine Discovery. Aber es verhindert, dass du Monate in Ideen investierst, die bei Frage 1 scheitern.